Aufgefächert - Farbsysteme und Farbsammlungen

Aufgefächert - Farbsysteme und Farbsammlungen

Elementare Werkzeuge bei der Planung und Kommunikation von Farbe

von Hannes Bäuerle

Ganz egal, ob es darum geht, den einen passenden Farbton zu definieren oder stimmige Farbharmonien und kreative Farbkonzepte mit mehreren Farbtönen zu erstellen: Elementar wichtig in der Beratungs- und Anwendungspraxis ist es, genau zu wissen, welcher Farbfächer sich für die jeweilige Aufgabenstellung am besten eignet.

Der RAL-Classic-Farbfächer wird am häufigsten genannt, wenn wir bei den Farbseminaren von raumprobe nachfragen, mit welchem Werkzeug in der Praxis am häufigsten gearbeitet wird. Die darin gesammelten Farben mit der vierstelligen Nummer sind seit über 85 Jahren ein Maßstab für normierte Farbgebung. Dabei wuchs die anfänglich nur 40 Farben umfassende Farbsammlung im Laufe der Jahrzehnte auf derzeit 215. Die Tatsache, dass in den meisten Büros mit dem praktischen Fächer jedoch nur eine kleine Auswahl an Farben exakt bestimmt werden kann, macht deutlich, dass zusätzliche „Werkzeuge“ gefragt sind. Denn mit den richtigen Fächern und Sammlungen gelingt es auf praktikablere Weise, komplette Farbkonzepte zu erstellen und diese dann auch entsprechend zu kommunizieren.

Farbsammlung mit derzeit 215 Farben

Der Klassiker unter den Farbfächern mit allen 215 RAL Farben auf einen Blick. Jede Seite beinhaltet fünf Farben.
Historisch gewachsene Sammlung, die schwerpunktmäßig durch die Anforderungen der Industrie entstanden ist.

Was unterscheidet ein Farbsystem von einer Farbsammlung (Kollektion)?

Der Unterschied steckt bereits im Namen, wird allerdings gern durcheinander gebracht. Bei den Systemen (wie beispielsweise RAL oder NCS) erfolgt die Anordnung der einzelnen Farben nach einer festen Methodik, die konsequent über den gesamten Farbraum durchgezogen wird. Dagegen können bei den Farbsammlungen verschiedene Methoden gemischt werden. So gibt es Farbfächer, die sich auf Farbtöne konzentrieren und diese bündeln, welche speziell für die Fassade geeignet sind. Ein solches Beispiel ist der Farbfächer der AC- Architectural Colours Kollektion. Damit bietet Sto ein Instrument, mit dem das StoColor System mit seinen 800 Nuancen um 300 mineralische Farbtöne ergänzt wird, die langlebige und materialbezogene Farben speziell für die Gebäudehülle darstellen. Auch die verschiedenen Trendfächer, die jährlich erscheinen, sind eine Auswahl und Sammlung aktueller Farbempfehlungen. Die berühmten Corbusier-Farben sind ebenfalls eine solche Sammlung und kein System. In den verschiedenen Sammlungen wird für die Anordnung der Farbtöne häufig nach Kriterien wie Buntton, Helligkeits- und/oder Sättigungsgrad sortiert, eine logisch aufgebaute Ordnung ist aber nicht zwingend erforderlich. Das ist bei den Farbsystemen grundlegend anders, weil dort jeder Farbton exakt in einem Koordinatensystem verortet werden kann.

RAL DESIGN SYSTEMS plus mit CIELab-Farbkreis, der in Segmente von jeweils 10 Grad eingeteilt wird.
Das StoColor System mit seinen 800 Nuancen wird mit der Kollektion AC - Architectural Colours um 300 mineralische Farbtöne ergänzt.

Farbsysteme – Farben mit Systematik

Schon seit über 2000 Jahren beschäftigten sich Wissenschaftler und Künstler mit der Ordnung von Farben. Darunter bekannte Namen wie Aristoteles, Platon, Newton, Goethe, Lambert und Runge.

Das von dem Nobelpreisträger Wilhelm Ostwald ab 1914 entwickelte Farbsystem ist heute eine der Grundlagen für die gebräuchlichsten Systeme. Der sächsische Chemiker ordnete farbtongleiche Dreiecke zum Ostwaldschen Doppelkegel mit einer oberen weißen Spitze und einer unteren schwarzen.

In den heute gängigsten Farbsystemen stehen die einzelnen Farben in einem Raum zueinander in Beziehung. Dieser Raum wird in einem Koordinatensystem aufgespannt. In der dreidimensionalen Darstellung definieren zwei Achsen den Farbton, die dritte die Helligkeit. Hinzu kommen weitere Schwerpunkte (wahrnehmungsorientiert, metrisch oder beides), die von System zu System unterschiedlich sein können. Somit entstehen vielfältige Farbräume, die in den geometrischen Formen von Zylinder, Doppelkegel, Kugel, Quadrat oder Rhomboeder entsprechen. Den einzelnen Farbtöne im Koordinatensystem werden dabei systematisch Nummern und/oder Buchstaben zugewiesen. Damit hat jeder Farbton seinen festen Platz und kann über seinen Code, der sich je nach System unterschiedlich zusammensetzt, problemlos zugeordnet werden.

Im RAL Design System sind die Farben nach Hue (Farbton), Lightness (Helligkeit), Chroma (Sättigung) farbmetrisch aufgebaut und ergeben den Code für die exakte Farbbezeichnung. RAL 240 60 10 ist entsprechend ein bläuliches Mittelgrau das sich zusammensetzt aus H: 240 für Blaugrün, L: 60 definiert eine mittlere Helligkeit und C: 10 steht für ungesättigt mit niedrigem Buntanteil.

Auf der visuellen Wahrnehmung von Farben (wie der Mensch die Farben sieht) beruht das NCS-System. Ausgehend von Grundfarben Gelb, Rot, Blau, Grün, Weiß und Schwarz kann jede Mischfarbe durch den Grad der Ähnlichkeit zu diesen Grundfarben bestimmt werden. Ein kräftiges Gelb hat den Code 1070-Y10R der sich aus der „Verortung“ zwischen Gelb (Y) und Rot (R) mit 10% wahrgenommenem Rot (die restlichen 90% tendieren nach Gelb), 10% wahrgenommenem Schwarzanteil und 70% wahrgenommenem Buntanteil zusammensetzt.

Im RAL Design System sind die Farben nach Hue (Buntton), Lightness (Helligkeit), Chroma (Buntheit, Sättigung) farbmetrisch aufgebaut.
Das NCS-System beruht auf der visuellen Wahrnehmung von Farben.

Farbsysteme der Farbhersteller – Farbe konkret als Material

So hilfreich material- und herstellerunabhängige Farbsysteme bei der Planung und Kommunikation auch sind: Wenn es darum geht die ausgewählten Farben und -kombinationen in die Praxis umzusetzen, müssen die jeweiligen Farbcodes in konkrete Produkte (Gebinde) übersetzt werden. Daher ist es eine große Hilfe, dass die Farbenhersteller mittlerweile ihre eigenen Systeme entwickelt haben. Diese Systeme sind praxisorientiert, denn die einzelnen Farbtöne sind auf dem Markt auch als Produkt (Beschichtungsmittel) erhältlich.

Caparol 3D

1368 architekturbezogene Farbtöne sind in dem Caparol 3D System zu finden. Es ist farbmetrisch (CIE Lab-Farbraum) sortiert und die einzelnen Farben werden nach den L/C/H-Werten codiert. Der praktikable Architekturschwerpunkt des Farbsystems sorgt für einen unregelmäßig aussehenden Farbraum. Besonders ausgeprägt ist die Anzahl im Rot-, Orange-, und Gelbbereich, da hier der Bedarf entsprechend groß ist. Das ist einer der Hauptunterschiede, beispielsweise zum NCS System, wo alle Farbtöne gleichmäßig verteilt sind.

> farbmetrisch (CIE Lab-Farbraum)
> Farben nach L/C/H-Wert benannt
> 1.368 Farbtöne

» Link und mehr Infos zum 3D-System

StoColor System

Im StoColor System gibt es einen 24-teiligen Farbkreis in dem 6 Primärfarben mit jeweils 4 Basisfarben sortiert werden. Jeder Basiston besitzt 5 Farbreihen: eine hellklare Farbtonreihe, zwei Verhüllungsreihen, eine Schattenreihe und eine dunkelgraue Farbtonreihe.

> visuell wahrnehmungsorientiert
> 24-teiliger Farbkreis
> 6 Primärfarben mit jeweils 4 Basisfarben
> 800 Farbtöne

» Link und mehr Infos zum StoColor System

Farbe bestimmen und planen

Bei der Ausarbeitung eines Farbkonzeptes empfiehlt es sich, mit einem System zu arbeiten, da damit die Abstufungen und Farbkombinationen feiner definiert werden können. Steht das Konzept für die individuelle Farbberatung, gilt es die gewählten Farbtöne dann in die entsprechenden Oberflächen zu „übersetzen".

Eine einfache Umrechnung zwischen den verschiedenen Systemen gelingt nur annäherungsweise, einerseits weil wie oben erwähnt farbmetrisch oder visuell gegliedert wird und vor allem weil sich die Farben im Eimer je nach Qualität und Hersteller in der Zusammensetzung (Pigmente, Bindemittel, Zusätze) deutlich unterscheiden können. Wohl dem, der dafür die passenden Farbkarten zur Hand hat und damit konkrete und geeignete Farbmittel vorschlagen kann.

CHROMA PLURAL Farbkreis mit Architekturkeramik, Agrob Buchtal
Farbsammlung der Trendfarben aus dem Materialreport von raumprobe

Farbe kommunizieren

Dass es weit mehr als 215 Farben (RAL-Classic) in Ihrem Planeralltag zu kommunizieren gibt, ist unbestritten. Entsprechend sollte Sie auch mit den passenden Systemen arbeiten, um bei der Konzeption und Kommunikation zwischen Ihnen, dem Hersteller und Ihrem Kunden aus dem vollen Farbenschatz schöpfen zu können. Allerdings gilt es dabei zu beachten, dass die genormten Referenzfarbmuster auf den Fächern immer auch nur eine Annäherung sind, da in der Umsetzung die Einflussgrößen wie Oberflächenstruktur, Farbtiefe oder Glanzgrad entscheidenden Einfluss haben. Um wirklich farbverbindliche Aussagen treffen zu können, sind Musterflächen auf dem tatsächlichen Untergrund, mit dem geplanten Material oder der gewünschten Farbe notwendig. Damit schließt sich der „Farbkreis“ wieder hin zu den Farbsammlungen, bei denen im Idealfall 1:1 Musterfarben abgebildet werden.

Praxistipp Qualitätskriterien

Lassen sich Farben aus den verschiedenen Systemen und Sammlungen einfach umrechnen? Aufgrund der unterschiedlichen Systeme, Färbmittel, Pigmente und Zusammensetzungen gelingt das nur bedingt und muss von Farbton zu Farbton mit dem entsprechenden Produkt überprüft werden.

Übergreifend da materialunabhängig: NCS, RAL-Design System

Farben für den Druck: CMYK

Sonderfarben in Mode und Design/Grafik: Pantone

Sonderfarben im Druck/Papier: Pantone, HKS

Lackiertes oder Kunststoffe: RAL

Farben für den Bildschirm/Fernseher: RGB + Hexadezimalfarben

Architektur/Innenarchitektur: Caparol 3D, StoColor System, Brillux Scala, etc.

Im Fokus

Den praxisnahen Umgang mit Farben, Systemen und Konzepten vermittelt raumprobe in Seminaren und Workshops der Materialakademie. Von den Teilnehmern wird dabei der dreigleisige Ansatz geschätzt: Grundlagenwissen und Theorie in Kombination mit anwendungsbezogenen Praxisbeispielen. Das Gelernte wird dann direkt mit zahlreichen Fächern und Mustern bei dem Erstellen von Farbkonzepten geübt und vertieft.

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