Von der Antike bis ins Mittelalter hinein wurde „luxuria“ als das Ausschweifende und Zügellose überwiegend verurteilt. Ab 1700 erfährt der Überfluss eine Aufwertung, die zunächst vor allem ökonomisch, dann aber auch moralisch und kulturanthropologisch begründet wird. Werner Sombarts bis heute gültige Definition von Luxus als jeden Aufwand, der über das Notwendige hinaus geht, macht dessen Relationalität deutlich. Denn das, was notwendig ist, ist nicht nur historisch und kulturell variabel, sondern in unserer heutigen ausdifferenzierten, multioptionalen Gesellschaft zunehmend auch situationsabhängig und bezieht sich dabei längst nicht mehr ausschließlich auf materielle Werte. Aus phänomenologischer Sicht scheint vor allem das emanzipatorische Potenzial des Luxus interessant. Hier geht es nicht um Nutzen oder mögliche Risiken des Überflusses, sondern um das persönliche Erleben und die damit verbundenen Möglichkeiten. In den Momenten einer Luxuserfahrung hat der Mensch das Gefühl, sich frei und autonom nicht nur den gesellschaftlichen Konventionen, sondern auch den eigenen Vernunftvorstellungen gegenüber verhalten zu können.
Nach diesem Verständnis ist Luxus durchaus etwas Demokratisches, denn die Größe des Besitzes ist für die Möglichkeit oder Intensität einer Luxuserfahrung nicht entscheidend. Luxus als Auflehnung gegen gesellschaftliche Erwartungen und eigene Wert- und Vernunftvorstellungen ist damit grundsätzlich jedermann möglich, unabhängig von dessen wirtschaftlicher Situation oder den individuellen Lebensumständen. Diese sind allein ausschlaggebend für die Art und Weise, in welcher der Luxus im Einzelfall sichtbar wird.
Das erklärt möglicherweise auch die immer deutlicher zu beobachtende Entwicklung hin zu einem immateriellen Luxusverständnis. In einem Umfeld, das von Rationalisierung und Zeitoptimierung geprägt ist, bedeutet Widerstand gegen gesellschaftliche Normen eben nicht die Anschaffung eines dritten Sportwagens oder einer weiteren IT-Bag. Hinzu kommt eine zunehmende Übersättigung durch materiellen Wohlstand, mit der Folge, dass immer weniger die Produkte selbst, sondern die Erlebnisse und Erfahrungen mit denselben an Bedeutung gewinnen. Zeit, Raum und Muße werden relevant, denn sie sind notwendig, um aus dem Einfachen und Essentiellen den maximalen Erfahrungswert zu ziehen.
Luxus ist demnach mehr als nur genusssüchtige Verschwendung, sondern immer auch Antwort und implizite Kritik an den bestehenden Verhältnissen. Individuelles Luxusverhalten wirkt sich nicht zuletzt auch gesellschaftlich aus, indem es geltende Wertvorstellungen in Frage stellt und mögliche Alternativen aufzeigt.