Material sitzt! - Angus

Vom Melkschemel zum Tübinger Stuhl

Angus von Pozsgai

Weil Schwarz das Holz einfach besser zur Geltung bringt – damit muss es wohl angefangen haben. Es folgte ein langer Prozess, bei dem Material und Entwurf sich gegenseitig bedingten und Anmut und Inspiration wohl Hand in Hand gingen. Und als er dann dastand, der Angus Hocker, war die Assoziation zum namensgebenden schwarzen Bullen sofort da. Durch seine weich geschwungene, samtig schwarze Sitzfläche und den durchgestreckten Beinen aus schlichtem geöltem Eichenholz wirkt der einfache Hocker formvollendet und modern. Dabei bezieht er sich auch auf die Heimatverbundenheit seines Erfinders. Der südbadische Schreinermeister Raphael Pozsgai schuf mit dem Angus Hocker die zeitgenössische Version eines traditionellen Melkschemels. Und überzeugte damit nicht nur raumprobe, sondern bereits etliche Designpreisgremien, darunter die des Reddot Design Award und des German Design Award.

Was war zuerst da: Der Wunsch mit dem Material zu arbeiten oder das Design des Hockers, für den das Material ausgewählt wurde?

Das kann ich nicht eindeutig beantworten, es floss ineinander über. Ich hatte damals ein Mini-Schaufenster im Ort gemietet und konnte da keine großen Möbel reinstellen. Ich hatte im Vorfeld schon mit Eiche-Rundstäben und schwarzem MDF experimentiert und wollte nun ein Kleinmöbel fürs Schaufenster bauen.

Das durchgängige Rundholz auf schwarzer Fläche, hat mich fasziniert und bis heute nicht losgelassen. Daraus entstand der erste Schemel, aber noch mit gerader Sitzfläche. Ich habe dann über einen längeren Zeitraum so lange weitergetüftelt, bis der Hocker in seiner heutigen Erscheinungsform dabei herauskam. Dieser Prozess ist beispielhaft für die Entwicklung meiner Entwürfe.

Welches Material genau wurde für das Sitzmöbel verwendet?

Swiss CDF und Eiche.

Warum wurde dieses Material für das Produkt gewählt?

Ich hatte den Hocker zuerst aus schwarzer MDF gebaut. Langfristig hielt die Holzverbindung jedoch nicht stand, sie wurde locker. Das hochverdichtete Material Swiss CDF ist hier dauerhaft formstabil. Es weist außerdem eine sehr schöne Oberfläche auf, bei der einzelne Holzfasern zu sehen sind. Das unterstreicht den organischen Charakter des Materials.

Was war die Herausforderung bei dem Sitzmöbel in Bezug auf die Materialität?

Für eine dauerhafte Holzverbindung ist die Schnittstelle vom Hockerbein zur Sitzfläche eigentlich zu klein, beziehungsweise kurz. Die 24 mm, die für die Holzverbindung zur Verfügung stehen, müssen also extrem belastbar sein. Der Druck, der durch das Einschlagen eines Keiles ins Hockerbein aufgebaut wird, muss vom Material der Sitzfläche aufgenommen werden.



In welchen Bereichen sehen Sie die Anwendung des zeitgenössischen Melkschemels, wie Sie Ihn selbst bezeichnen?

Der Hocker Angus ist überall dort angesagt, wo eine Sitzgelegenheit benötigt wird, ein Stuhl aber zu viel Platz einnehmen würde oder nicht notwendig ist. Wohnküchen, Garderoben und Eingangsbereiche (um sich zum Beispiel die Schuhe anzuziehen), Warteräume und so weiter. Vor allem aber wird Angus als Küchen,- oder Barhocker eingesetzt. Für kurze Meetings im Büro, Verweilen am Tresen in der Bar und in der gekürzten Version zum Sitzen in der Küche.

Eichentisch mit Hockern_header.jpg

Neuerdings beschäftigen Sie sich auch mit dem Material Linoleum. Was hat es damit auf sich?

Um in Farbe bauen zu können muss man entweder bunt lackieren oder auf ein bereits farbiges Material zurückgreifen. Zweiteres hat den Vorteil, dass man nicht lackieren muss (das kann ich auch nicht gut) und weiter, dass die Farbe im und nicht auf dem Werkstoff ist. Da ich vorwiegend Produzent bin, suche ich nach Materialien, die ich auch gut verarbeiten kann, sprich die zu mir passen und die mir auch sympathisch sind. Linoleum gibt es ja schon lange. Die Firma Forbo hat ein Linoleum im Sortiment, das auch für den Möbelbau geeignet ist. Wundersamer Weise passen fast alle Farbtöne zusammen, so dass ich nicht nur in Farbe, sondern wirklich bunt bauen kann.

Bei meinem neuesten Entwurf dem Tübinger Stuhl2.0 ist es nahezu alternativlos. Die Haptik ist deutlich angenehmer, vor allem wärmer als bei HPL und lässt sich mittels einer Vakuumpresse auf fast jede Form aufziehen.

Auch hier die Frage: War zuerst der Wunsch da, Linoleum auf ein Sitzmöbel zu bringen, oder den Tübinger Stuhl in die Gegenwart zu holen?

Der Tübinger Stuhl ist eigentlich der Anfang von allem, zumindest was mein Schaffen angeht. Ich sitze seit rund 25 Jahren auf ihm. Er hatte mich bereits zur Hockerserie Angus inspiriert und es war ein lang ersehnter Traum ihn in die Gegenwart zu übersetzen. Je länger ich mich mit ihm beschäftigte, umso mehr wuchs meine Begeisterung für ihn. Da mir mein Design aber zunächst einmal niemand bezahlt, stellt sich auch immer die Frage, ob ich es mir leisten kann, etwas zu Ende zu gestalten. Denn hats mich erst einmal gepackt, dann bleibt alles andere liegen und stehen. Vor 2 Jahren hatte ich bereits Prototypen gebaut, von denen ich jedoch nicht wusste, ob ich sie je fertig gestalten würde. Nun haben sie einem angehenden Gastronomen so gut gefallen, dass er sie für sein künftiges Lokal im Freiburger Stadtteil St. Georgen in Auftrag gab. Wunderbar!

Angus – Hocker und Barhocker


Designer: Raphael Pozsgai

Entstehungsjahr: 2012

Anwendungsbereich: alle Wohnbereiche und als Designobjekt

Link zum Möbel: » Angus

 



Für Informationen zum Tübinger Stuhl 2.0 wenden Sie sich bitte direkt an den Hersteller.

Die Fragen wurden beantwortet von: Raphael Pozsgai 



Raphael Pozsgai

Schwarzwaldstr. 8
79423 Heitersheim

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Bilder © Raphael Pozsgai, Ralf Jankovsky

Kommen Sie in der raumprobe vorbei - zum Probesitzen auf dem Angus Hocker und zum Erleben der Materialvielfalt!

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