Materialreport 2020 - Nicht einfach nur sprühen

Nicht einfach nur sprühen

Beim Airdesign geht es nicht nur um ein angenehmes Gefühl, sondern um eine ganzheitliche Raumerfahrung - Martina Metzner

Die synästhetische Wirkung von Architektur und Räumen geht weit über das Sehen hinaus: Gerüche, Töne, Temperatur und Haptik sind ebenso wichtig. Alles zusammen ergibt das, was wir Atmosphäre nennen. In der Postmoderne wurde der Ruf nach dieser alle Sinne umfassenden Gestaltung formuliert (siehe Interview mit Mădălina Diaconu). Es dauerte nicht lange, bis man eigens für Autos Düfte kreierte und frischer Brötchenduft bei Bäckereien nicht aus dem Backofen, sondern aus der Klimaanlage strömte. Das multisensorische Marketing zum Zwecke der direkten Verkaufsförderung war geboren.

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Natürliche Essenzen liegen im Trend. Bild © Magdalena Lepka

Dieses Duftmarketing hat sich nun weiterentwickelt. Synthetische Kompositionen von der Stange sind passé. Heute geht es um Airdesign, um Signature Scents, die speziell auf das Unternehmen – das Hotel, den Shop, die Kundenlounge – abgestimmt werden, sodass sich diese harmonisch in die Corporate Identity einfügen. „Es geht nicht mehr nur darum, wie eine Firma ausschaut – sondern welche Erlebnisse man mit ihr macht“, so Duftdesigner Maurice Joosten, der für die international agierende japanische Duftfirma @aroma arbeitet und sich speziell um Aroma Branding im Kontext von Architektur kümmert. Auf seiner Kundenliste stehen Firmen wie Lufthansa, Lexus, das japanische Luftfahrtunternehmen Ana und viele Hotels. „Der Duft ist wie ein Material: Durch ihn wird die Atmosphäre unterstützt.“ Dabei sei wichtig, dass das Parfum nicht aggressiv und dominierend sei, sondern sich harmonisch ins Gesamt einfüge.

Maurice Joosten von @aroma beim Duftkomponieren: „Der Duft ist wie ein Material.“
Bild © Maurice Joosten
Manuel Kuschnig und Shizuko Yoshikuni von Aoiro haben 200 Essenzen in ihrer Bibliothek.
Bild © Paul Aiden Perry

Adlerholzbaum, Rosmarin, Orange: Ein großer Trend sind natürliche Essenzen. Sie hielten zwar nicht so lange, seien aber wirkungsvoller und komplexer, da sie aus mehreren hunderten Aromamoleküle bestehen, die ein synthetischer Duft mit bis zu zehn Elementen bei weitem nicht abbilden könne, sagt Joosten. Synthetische Düfte seien eindimensional und nur am Anfang überwältigend; den Duft von natürlichen Essenzen können man beispielsweise auch nicht so leicht kopieren wie synthetische. Der Wirkungsmechanismus von ätherischen Ölen geht auf die Aromatherapie zurück – eine alternative Heilmethode mit traditionellem Hintergrund, bei der die natürlichen Essenzen in der Umgebungsluft und nach Inhalation eine positive Wirkung auf Körper und Psyche zugeschrieben wird. So verspricht man sich damit etwa eine Steigerung der Leistungsfähigkeit in Klassenzimmern und zunehmend in Büros. Am häufigsten wird die Aromatherapie aber für Stressreduktion und Entspannung eingesetzt.

Supernasen wie Maurice Joosten, die sich speziell ums Interior kümmern, sind selten. Joosten ist studierter Designer und lebte lange in Japan, wo es eine traditionelle Raumduftkultur gibt. Seine Leidenschaft für Düfte führten ihn automatisch zum japanischen Anbieter @aroma, einer der größten Raumdufthersteller weltweit. Heute ist er für dessen Europageschäft tätig und berät hier die Industrie, Hotelketten, Architekten im hochwertigen Bereich.

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Natürliche Essenzen liegen im Trend. Bild © @aroma

Auch Airdesigner Manuel Kuschnig und Shizuko Yoshikuni von Aoiro arbeiten ausschließlich mit natürlichen Essenzen. „Wir machen im Endeffekt Interior Design, denn der Raumduft entscheidet sehr über die Wahrnehmung des Raumes.“ „Duftmarketing“ ist ein Begriff, den sie selbst nicht für sich reklamieren – da gehe es vor allem darum, bereits fertige Düfte zu verkaufen, sagt Kuschnig. Massenprodukte, die immer gleich riechen. Shizuko hat einen Background in der Aromatherapie. Manuel Kuschnig wiederum studierte Philosophie, arbeitete lange Zeit als Journalist und Kommunikationsdesigner, bis er 2009 in das Geschäft seiner Frau einstieg. Das Paar, im Beruflichen wie im Privaten, ergänzt sich perfekt:

Shizuko mit ihrem Wissen um die Wirkung von natürlichen Essenzen, und Manuel, der die Codes von Architektur und Design kennt. Sie kreieren „Airdesign“ und sehen sich als Innenraumgestalter, die in enger Kooperation mit den Architekten arbeiten und zur synästhetischen Wirkung des Raumes beitragen. Von Berlin aus betreuen sie Projekte hauptsächlich in Europa – haben etwa Signature Düfte für Hotels wie das Mandala in Berlin, aber auch die Oper Leipzig entwickelt und arbeiten mit Designherstellern wie Cabinet oder mit Architekten wie Gonzalez Haase zusammen.
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Den kompletten Beitrag finden Sie im Materialreport 2020.

Duftende Sonderschau

Der Materialreport 2020 wird auf der Architect@Work gelauncht und von einer kleinen Sonderschau zum Thema Duft flankiert. Alle Materialien dazu folgen hier:

Mit dem All-in-One Diffuser lässt sich ein einmal kreiertes Raumduft-Design professionell einsetzen und zeitlich steuern.
Bild © Maurice Joosten
Alle 64 unterschiedlichen Aromaöle werden von Duft-Designern aus zu 100 % natürlichen ätherischen Ölen entwickelt.
Bild © @aroma
Für das persönliche Duft-Ritual haben Aoiro einen Keramik-Aktivkohle- Würfel entworfen, den man beträufeln kann.
Bild © Aoiro
Für einen Signature Scent mischen Aoiro bis zu 13 verschiedene Essenzen.
Bild © Aoiro
Zur Tapete gibt es eine passende Essenz, mit der sich der nachlassende Geruch auffrischen lässt.
Naturtapete - Wildspitze
Diese Duftfarbe kommt auf dem Cover zum Einsatz. Die ätherischen Öle werden direkt mit dem Drucklack aufgetragen.
SCENTIFIC - Scent Swatch X-Mas

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