Materialien von Heute

Materialien von Heute

Persönliche Note

Neben dem alles übergreifenden Megatrend Nachhaltigkeit, spiegelt ein weiterer Megatrend unser Bedürfnis (oder vielmehr Drang?) nach Selbstverwirklichung und persönlich gestalteter Individualität wider: Individualisierung. In der Baubranche zeigt er sich in erhöhter Gestaltungsfreiheit und gesteigerter Vielfalt. Dabei lassen sich Individuelle Kundschaftswünsche mittels klassischer Fertigungsmethoden kaum mehr befriedigen. Es bedarf innovativer Ansätze in der Produktion, die Gestaltende und Planende dabei unterstützen, hoch individuelle Räume und Oberflächen zu generieren, um somit auf die immer komplexer werden Anforderungen und persönlichen Wünsche der Kundschaft zu reagieren. Banner © Franco Jennewein für Ambright

Sublimierte Individualität

Eines dieser innovativen Verfahren ist die Lasersublimation, die die Materialverarbeitung und somit den Gestaltungsspielraum von Innenarchitektur- und Designschaffenden, aber auch Unternehmen der Möbelfabrikation und Halbfabrikats-Herstellung, ungemein erweitert:  hier sind individuelle Lösungen definitiv erwünscht. Mit der Lasertechnologie Sublidot by Strasserthun gelingt es dem Schweizer Unternehmen, in eine neue Dimension vorzustoßen und individuelle Grafiken, Strukturen und Fotos mit äußerster Präzision auf Schrankfronten, Möbelbauteile, Wand- oder Deckenverkleidungen zu übertragen. 

Bei der Lasersublimation werden Materialien mit einem genügend hohen organischen Anteil – Stand heute sind es weit mehr als 50 verschiedene – vom festen Zustand direkt in einen gasförmigen umgewandelt. Oberflächen wie Massivholz oder Furniere, die bisher beim Lasern verbrannten und in schwarzen, verkohlten Rändern resultierten, werden mit dem sublidot-Lasersystem schonend, filigran, schnell und sauber veredelt. So sind exakte Kanten auch bei komplexen Objektformen, Größen oder unebenen Formen möglich. Zudem lassen sich auch anorganische Materialien, wie zum Beispiel Mineralwerkstoffe, dank genügender Anteile organischer Inhaltsstoffe sublimieren. 

Zur Produktion werden die gewünschten grafischen Muster und Bilder in Graustufen im Maßstab 1:1 in einer Auflösung von 300 dpi benötigt. Je dunkler die Fläche, desto tiefer dringt der Laser in die Tiefe des Materials ein und erhöht den optisch dreidimensionalen Effekt. Das Verfahren erlaubt eine Bearbeitungsfläche von max. 3.100 x 2.100 mm und Materialstärken bis zu 60 mm. Das Familienunternehmen, 1947 in Thun als Bauschreinerei gegründet und in dritter Generation geführt, begleitet und unterstützt den kompletten Fertigungsprozess bis hin zur Montage.

 

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Bild © René Dürr

Gedrucktes Licht

Auch in Sachen Licht gibt es ein revolutionäres Verfahren, das Beleuchtungselemente unabhängig von standardisierten Produkten erzeugt – und dabei maßgeschneidert an räumliche Gegebenheiten und individuelle Wünsche der Kundschaft anpasst. Die Kernidee der patentierten Lichtdrucktechnologie „printed light“, das vom jungen Münchner Unternehmen Ambright entwickelt wurde, ist es Licht, automatisiert in extremer Präzision zu drucken Dabei werden die aktiven Bauelemente wie LEDs, Treiber, Abhängepunkte und Optiken in ein eigens dafür entwickeltes Compositematerial eingebettet und nach individuellen Vorstellungen automatisch auf unterschiedliche Materialien wie Kunststoffe, Metalle, Papier oder Folien gedruckt. Die Anzahl und die Position der Down- und Uplights lässt sich dabei nach Bedarf bestimmen.

Auf einer Fläche von bis zu 250 x 125 cm² können Kunden ihre individuellen Formen mit einem eigens entwickelten Softwaretool, dem Gestaltungswerkzeug LightSketch, selbst zeichnen und realisieren. In diese werden filigrane Downlights, Uplights und das prägnante Licht der patentierten, 6 mm starken Lichtkante – das markante Erkennungszeichen der SparkShape – integriert. Alle Lichtanteile sind getrennt und drahtlos per Casambi steuerbar. So können individuelle Einzelstücke gefertigt werden, bei denen nicht nur die Form der Leuchte, sondern auch die Menge des Lichts oder die Position der Einspeisung den Wünschen und Anforderungen folgen. 

 

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Rendering © Ambright

Farbsystem mit feinerer Abstufung

Blicken wir in die Welt der Farben, kontinuierlich kommen mehr und mehr hinzu. Neue Farbsysteme nehmen sich der Herausforderung an, Ordnung in die steigende Vielfalt zu bringen: Das putz- und farbherstellende Unternehmen Sto am Südrand des Schwarzwaldes beheimatet hat sein seit Jahrzehnten etabliertes Farbsystem überarbeitet und von 24 auf 72 Basisfarbtöne erweitert. Laut Peter Appenzeller, der das neue System verantwortet, bietet es nicht nur die höchste Anzahl an Basisfarbtönen am Markt befindlicher Systeme an, sondern vereinfacht es Gestaltenden und Planenden, digital entworfene Farbkonzepte und definierte Farbtöne auf Oberflächen zu transformieren. 

Im Gegensatz zu herstellerneutralen Farbsystemen wie NCS oder RAL, bietet das neue Sto-Farbsystem die Übertragung aller Farbtöne als Farben, Putze, Lacke und Lasuren in unterschiedlichen Qualitäten für Fassade und Innenraum. Durch den extrem fein abgestuften Farbkreis in 72 Farbtonbereichen mit Versatz von Chroma und Helligkeitswerten von Farbtonbereich zu Farbtonbereich und einer gezielt herbeigeführten, wechselnden Nuancierung von Chroma und Helligkeit, können Farbtöne deutlich einfacher miteinander kombiniert werden.

 

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Osmotische Individualisierung

Natürlich lassen sich auch mit handwerklichen Verfahren individualisierte Oberflächen herstellen. Ein Beispiel hierfür ist die wunderschöne Oberflächenveredelung Osis, die vom Designstudio llot llov in Berlin entwickelt wurde und zu 100 % in Handarbeit hergestellt wird. Dabei wird auf den Effekt der Osmose zurückgegriffen und auf Holz übertragen. Ausgelöst wird die Osmose durch Salz, das in verschiedenen Mustern und Techniken auf noch nasses, einfarbig oder mehrfarbig lasiertes Birkenholz gestreut wird. Daraufhin setzt der natürliche Prozess ein. Das Ergebnis hängt von den verwendeten Salzsorten, der Luftfeuchtigkeit und der Einwirkzeit ab. Die Farbpalette und die Vielfalt der Muster sind ebenso endlos wie deren Anwendungsmöglichkeiten: Osis-Oberflächen sind als Möbel oder ganze Paneele in einer Größe von 2.400 x 1.100 mm erhältlich. Die PU-lackierte Oberfläche ist lebensmittelecht, resistent gegen Wasser und Öl und leicht zu reinigen.

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Bild © Arne Grugel für Llot Llov


Jörg Schmitt


Innenarchitekt Jörg Schmitt ist seit 2013 als Projektleiter für den Materialpreis zuständig. Mit seiner Zuständigkeit für Art Direktion, Öffentlichkeitsarbeit und Homepage, wendet er sich zudem mit dem Materialnewsletter an die zahlreichen Mitglieder und Interessierten von raumprobe und führt Besuchergruppen durch die Materialwelt. Darüber hinaus ist der Innenarchitekt auch beratend tätig.

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