Alle reden von Nachhaltigkeit, aber nur wenige kennen die Kreislaufwirtschaft. Dabei hat das Konzept eine gewisse Karriere hingelegt von der Trias „Reduce, Reuse, Recycle“ zu ersten Projekten, die zumindest eine Ahnung davon geben, was alles in Produkten und Häusern steckt: Ressourcen, die nicht länger ins Meer geschwemmt (Phosphate), verbrannt (PE) oder schlichtweg deponiert werden sollen (Bauschutt).
Doch wie sieht so etwas konkret aus? In Hamburg sind erste Ansätze zu besichtigen. Dort soll das Hochhaus „Moringa“ schon von vornherein auf Veränderung und Umbau geplant werden. Die neue Transparenz verlangt erheblich mehr Aufwand: Materialien und Produkte müssen erfasst, deklariert und auch so verbaut werden, wie sie im digitalen Zwilling erscheinen. Aber es sollte sich auszahlen. Für alle. „Moringa ist definitiv ein Labor“, sagt Vanja Schneider, Geschäftsführer der Moringa GmbH. „Das Prinzip steckt ja noch in den Kinderschuhen. Sie können heute noch kein 100 Prozent recycling-gerechtes Gebäude bauen. Da gibt es gesetzliche, konstruktive und mentale Hürden, die es erst mal zu überwinden gilt.“
Kein Wunder, dass der grüne Investor gesetzliche Verpflichtungen für mehr Nachhaltigkeit fordert, wohl auch, um Chancengleichheit in einem ziemlich intransparenten Markt herzustellen. „Wir müssen weg von einer heute üblichen stichtagsbezogenen Ertrags- und Sachwertbetrachtung, hin zu einer ökologischen Lebenszyklusbetrachtung, bei der Rohstoffrestwerte und CO2- Einspareffekte eine signifikante wertbeeinflussende Größe darstellen. Wenn wir da mal hinkommen, sollte im Vergleich ein ökologisch konzipiertes Produkt günstiger sein.“ Bis dahin ist Moringa Forschungsprojekt und lebendes Experiment.
Architektin Jasna Moritz, Mitglied der Geschäftsleitung bei Kadawittfeldarchitektur, sieht einen deutlichen Lerneffekt: „Mit jedem Projekt wird man besser, kann besser Regie führen, um den erweiterten Blickwinkel auf bauökologische Fragestellungen genauer durchzuziehen. Dazu gehören Fragen nach der sortenreinen Trennung, und da ist es gut, wenn sich die Partner das Mindset verinnerlichen.“ Spannend wird sein, ob und wann ein Nachahmereffekt eintritt. Wir können uns nicht mehr von einem Leuchtturmprojekt zum nächsten hangeln, wir brauchen neues Denken in der Breite. Das bedeutet auch mehr Flexibilität der Bauwirtschaft und Mut zu Fehlschlägen. Kreislaufwirtschaft nach Cradle to Cradle-Prinzipien wird es nicht zum Nulltarif geben, wohl aber mit Blick auf die nächste und übernächste Generation. Darum geht es.