Schluss mit der sorglosen Entsorgung

Schluss mit der sorglosen Entsorgung

Für eine nachhaltige, kreislauffähige Baukultur braucht es gesetzliche Rahmenbedingungen und ein Umdenken im Neu- und Umbau

Hannes Bäuerle

Was wäre, wenn ein Schuttcontainer das zehnfache der heutigen Müllgebühr kosten würde? Sicher gäbe es zuerst einen lauten Aufschrei. Die längerfristigen Effekte sehe ich allerdings als durchaus positiv. Alle wären gezwungen, anders zu kalkulieren. Die kurzfristige Nutzung billigster Materialien wäre dann wirtschaftlich nicht mehr abbildbar. Damit würde ganz automatisch eine höhere Materialqualität forciert werden. Die leidigen Preisdiskussionen und Rabattschlachten, bei denen es immer nur nach unten geht, könnten unterbrochen werden. Unsere Ressourcen und Materialien bekämen einen anderen Wert, wenn schon beim Einplanen die Entsorgung mit einkalkuliert werden würde. Zusätzlich ist das eine Steilvorlage für die echte Kreislaufwirtschaft. Preislich am attraktivsten sind dann Baustoffe, die eine lange Haltbarkeit bieten oder sich ohne Abstriche wiederverwenden oder -verwerten lassen.

Noch weiter gedacht ist das Konzept, bei dem Abbruch nicht mehr teuer deponiert wird, sondern als hochwertige Rohstoffquelle genutzt werden kann, für die es sogar noch Geld gibt. Teils funktioniert das heute bereits, wie am Beispiel Altmetall zu sehen ist. Oder der Etikettenhersteller UPM, der seinen Großkunden anbietet, die „wertlosen“ Kleberücken gesammelt wieder zurückzunehmen. Daraus werden dann Terrassendielen aus Wood Plastic Composite (WPC) produziert und damit der Müll vor der thermischen Verwertung bewahrt. Um solche Prozesse zu etablieren, muss der Abbruch oder Restmüll sortenrein getrennt und gesammelt werden.

 

Idealerweise kommt es aber erst gar nicht zur Entsorgung, sondern unser heute bereits existierender Bestand wird möglichst lange erhalten und weiter genutzt. Dazu muss die bestehende Qualität erkannt und dokumentiert werden, ein erweiterter Denkmalschutz könnte hier hilfreich sein. Mit deutlich höheren Entsorgungskosten ist es dann auch leichter, eine aufwendigere Sanierung zu rechtfertigen, bei der es Stand heute zu oft noch heißt: Es ist günstiger abzureißen und neuzubauen als umzubauen. Diese Art zu agieren ist in meinen Augen verwerflich und völlig gestrig.

Da wir im Bausektor sprichwörtlich die Zukunft bauen, haben unsere Professionen einen großen Einfluss, wie unsere Welt morgen aussehen wird. Planende können sich bei jeder Entscheidung für oder gegen ein Material selbst die Frage stellen, ob sie damit einen wertvollen Beitrag leisten, oder nur noch mehr Müll produzieren wollen, für den die kommenden Generationen sicher keine Wertschätzung entwickeln.

Wenn wir erkennen, dass die Sorgen nicht mit der Entsorgung aufhören, sondern immer wieder auf uns zukommen (Stichwort Mikroplastik), dann bekommt die Neu- und Umplanung eine ganz neue Bedeutung.

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Abbruch eines Verwaltungsgebäudes in Stuttgart







Hannes Bäuerle ist Gründer von raumprobe. Er lehrt Materialwissen an mehreren Hochschulen, Bildungseinrichtungen und Kammern. 


Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Materialreport 2022 von raumprobe veröffentlicht.

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